17.09.2025 Ausstellung - 60 Jahre Kirche „in Thomas“ - vom Provisorium zum Zentrum




Wenn wir am 17. September 2025 das Jubiläum „60 Jahre Kirche in ‚Thomas‘“ feiern, dann bezieht sich das zunächst einmal nur auf ein Papierdokument – nämlich die am 17.9.1965 ausgefertigte Gründungsurkunde einer neuen Kirchengemeinde im neu errichteten Berliner Viertel auf beiden Seiten der Geschwister-Scholl-Straße. Die praktische Arbeit begann erst in der Karwoche 1966 mit einer „Kirche auf Rädern“. Vom Palmsonntag (3.4.) bis zum Ostermontag (10.4.) stand ein umgebauter Sattelschlepper mit der Aufschrift „Kirche unterwegs“ in der Ladenzeile. Darin angeboten wurden Gottesdienste, Kinderstunden und Abendveranstaltungen. „Die Kirche ist geheizt,“ stand als Hinweis auf dem im Viertel verbreiteten Flugblatt.
Erst ab November 1966 gab es feste Räumlichkeiten. Pfarrvikar Rudat, den die Kirchenleitung inzwischen für ein halbes Jahr in die neue Gemeinde entsandt hatte, lud die Gemeindemitglieder, zum Gottesdienst am 1. Advent (29.11.) in den 1. Stock des Hochhauses Berliner Straße 29 ein. Dort hatte die Kirche Eigentumswohnungen für Gottesdienst und Gemeinderäume, Pfarramt und Pfarrwohnung erworben. Der Einladung zum Gottesdienst war eine Lageskizze beigegeben – mit einem Pfeil als Hinweis auf das zweite der damals noch fünf Hochhäuser an der Berliner Straße. Pfarrvikar Rudat informierte die Gemeinde, dass der zuständige Verwaltungsausschuss den Namen „Thomaskirchengemeinde“ ausgewählt habe. (Einen gewählten Kirchenvorstand gab es noch nicht.)
Die Kirchenleitung habe zugestimmt.
Der Name „Thomaskirchengemeinde“ war bewusst nach dem „ungläubigen“ Apostel Thomas ausgewählt worden, denn in dessen Skepsis erkannte man die Haltung der Menschen in der neu errichteten modernen Großstadtsiedlung wieder. Dies berichtet Pfarrer Hans-Jürgen Fischer, der im Frühjahr 1967 die Pfarrstelle übernahm. Seinen Erinnerungen in der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Viertels von 2005 lässt sich entnehmen, dass die „Kirche im Hochhaus“ gut angenommen wurde. Allerdings sorgte der abends und am Wochenende durch die Jugendarbeit entstehende Lärm für soviel Ärger, dass die Gemeinde 1969 zusätzlich eine Baubaracke anmietete. Am Ende der kleinen Stichstraße, die von der Berliner Straße Richtung Kaserne abzweigte, hinter dem Grundstück der katholischen Kirche und hinter der Berliner Schule, besaß auch die evangelische Kirche ein Grundstück. Dort wurde die Baracke hingestellt und tat ihren Dienst, bis sie im Frühjahr 1973 aus ungeklärter Ursache in Flammen aufging.
Schon im Januar 1968 hatte die Evangelische Gesamtgemeinde die Errichtung der Thomaskirche auf ebendiesem Grundstück in Auftrag gegeben. Dass die Stadtplaner in der Neubausiedlung überhaupt Platz für Kirchen vorgesehen hatten, ist nicht unbedingt selbstverständlich. Der Platz für die Thomaskirche lag auch am Rande des Viertels. Hinter ihr erstreckte sich in Richtung Bretzenheimer Ziegelei bis Anfang der 1980er Jahre nur noch Ackerland. Inzwischen bildet die Thomaskirche durch die danach neu errichteten Schulen, Studentenwohnheime und Wohnhäuser eine eigene kleine Mitte im Südwesten des Viertels. Dass die Kirche binnen drei Monaten fertig war und schon am Samstag vor dem Sonntag Misericordias Domini (28.4.1968) eingeweiht werden konnte, lag an ihrer speziellen Bauweise. Sie ist nämlich eigentlich ein Provisorium – eine in Serie hergestellte „rheinische Holzmontagekirche vom Typ A“, den 1959 der Architekt Hermann Duncker in Düsseldorf für die Evangelische Kirche im Rheinland entwickelt hatte.
Der Grund für diese Serienbauten war ein dringender Bedarf an Kirchen. Durch die Flüchtlingsströme aus den deutschen Ostgebieten und der damaligen DDR war die Bevölkerungsdichte in Westdeutschland deutlich gewachsen. In katholisch geprägten Gebieten fehlte es plötzlich an evangelischen Kirchen (und umgekehrt). Die Holzmontagekirchen waren im Bedarfsfall schnell errichtet und schnell wieder abgebaut, falls sich eine dauerhafte Lösung fand. Von diesen Kirchen gab es mindestens 43 Stück; so viele hat jedenfalls bis April 2025 das Architektur-Online-Magazin „moderneREGIONAL“ auf der Seite „invisibilis – Der Kirchenwiederfinder“ zusammengetragen. Viele von diesen Kirchen wurden inzwischen aufgegeben und abgerissen, manche auch an andere Orte versetzt. So steht eine Kirche dieses Typs A, die in Hackenheim bei Bad Kreuznach nicht mehr benötigt wurde, seit 2003 in Mainz-Drais – bis 2024 als evangelische Kirche, seitdem in Mischnutzung als „Cafédrale“,
Dass die Thomaskirche zur „Dauerlösung“ wurde, dafür gibt es mehrere Ursachen: Schon 1968 hatte der Kirchenvorstand die Errichtung eines Gemeindehauses beschlossen. Ein Dreivierteljahr nach dem Brand der Baracke wurde im Februar 1974 mit dem Bau begonnen. Eingeweiht wurde es nach kurzer Bauzeit schon am 25.8.1975 – ein Datum, das sich in diesem Sommer zum 50. Mal jährt. Der vom Mainzer Architekten Manfred v. Dalwig-Nolda entworfene Bau entstand in enger Abstimmung mit den künftigen Nutzern. Die Festschrift spricht von einem „demokratischen Planungsprozess.“ Mit dem Verlauf der Eigentumswohnungen im Hochhaus konnte die Gemeinde parallel ein Pfarr- und ein Küsterhaus errichten. Der zugige Eingang der Kirche wurde dabei von der Stirnseite weg verlegt in Richtung Gemeindehaus. Beide Gebäude sind ebenerdig durch einen wettergeschützten Gang und einen Innenhof verbunden, und durch eine Außenrampe kann man ins Untergeschoss und die vorgelagerte Arena gelangen. So entstand damals ein sehr gut funktionierendes, vielseitig nutzbares Gemeindezentrum. In die Thomaskirche investierte die Gemeinde weiter: 1988 wurde der Altarraum neu gestaltet, 1997/98 das Dach mit dem Oberlicht, 2003 die Sakristei, 2016 der Eingangsraum. Regelmäßig genutzt wird sie mitsamt dem Gemeindehaus regelmäßig nicht nur durch die Evangelische Kirchengemeinde in der Oberstadt Mainz, sondern auch durch die koreanische Chung-An-Gemeinde und die Militärseelsorge
Andreas Hauff
21.06.2025 Fête de la Musique bei Thomas
- Fête de la Musique
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- Fête de la Musique 21.06.2025
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Unter strahlend blauem Himmel trafen sich pünktlich zum Sommerbeginn am Samstag, 21.6., etwa 100 Musik-Interessierte, um in der Arena an der Thomaskirche ein Fest der Musik zu feiern.
Andreas Hauff, der Vorsitzende des Fördervereins Thomaskirche, zeigte sich in seiner Begrüßung erleichtert, dass der Baulärm an der Zufahrt nebenan seit einer halben Stunde beendet war und der Open Air-Veranstaltung nun nichts mehr im Wege stand. Er erzählte ein wenig von der Tradition der Fête de la musique, die in Frankreich schon seit mehr als 30 Jahren mit Musik auf offenen Straßen und Plätzen gepflegt wird und in den letzten Jahren auch in vielen deutschen Städten Einzug gehalten hat.
Kurz stellte er die Akteure des Abends vor:
Mit BarberKadabra unter der Leitung von Silke Wüllner sollte ein Barbershop-Chor antreten, der bereits drei Mal bei der Fête de la musique in Oppenheim gastiert hatte. Freuen durften sich die Gäste außerdem auf das Blockflötenensemble FLuTho, ebenfalls von Silke Wüllner geleitet, auf die kurzfristig zugesagte Einlage von Timea Jazayeri, Organistin in der Thomaskirche, und auf Beiträge der koreanischen Chung-Ang-Gemeinde, die für ihre Gottesdienste ebenfalls die Thomaskirche nutzt. Die koreanische Gemeinde war auch auf technischer Seite für den guten Ton verantwortlich.
Zunächst aber war das Publikum selbst gefragt. Nach einleitenden Worten und vom E-Piano aus dirigiert von Silke Wüllner, Gesangspädagogin und erfahrener Chorleiterin, sangen die Zuschauerinnen und Zuschauer „Viva la vida“, basierend auf einem Lied der Gruppe Coldplay, mit dem Fazit „Singing is a very good plan“, und anschließend „Sag mir, wo die Blumen sind“.
Dann übernahm FLuTho mit drei klassischen italienischen Flötenstücken aus dem 16./17. Jahrhundert die weitere musikalische Gestaltung. Die Namen der weniger bekannten Komponisten wurden nicht genannt - mit Ausnahme von Giovanni Giacomo Gastoldi, dessen Lied „In dir ist Freude“ im evangelischen Gesangsbuch verewigt ist. Die Musik klang eingängig harmonisch.
Aus dem Publikum kam die verwunderte Frage, warum die Sopranflöte nicht zum Einsatz kam. Silke Wüllner nahm dies zum Anlass, die Blockflöten im Einzelnen vorzustellen, von der Sopran- über die Alt- und die Tenorflöte bis zum Bass und Großbass. Und in der Tat hatte das Flötenensemble, das an diesem Abend nur aus vier Mitgliedern bestand, auf Grund der kleinen Besetzung auf die Sopranflöte verzichtet. Der personelle Engpass führte auch dazu, dass Silke Wüllner den Dirigierstab gegen Blockflöten tauschte und sich als fünfte Flötistin einreihte. Nach dem klassischen Auftakt begeisterte FLuTho das Publikum mit moderner Musik aus dem 20. Jahrhundert, zunächst aus dem Genre Ragtime mit „Maria‘s Rag“ und anschließend mit der filmmusikalischen Aufforderung aus dem „Dschungelbuch“: „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“.
Mit Gemütlichkeit, Frohsinn und Heiterkeit war wieder das Publikum aktiv. Silke Wüllner gab das Motto „Quodlibet“ aus, in der Musiktheorie die Zusammenführung unterschiedlicher Melodien zu einem Musikstück, und setzte es in die Praxis um mit den beiden Volksliedern „Heißa Kathreinerle“ und „Zum Tanze da geht ein Mädel“, die gleichzeitig gesungen wurden. Darauf folgte, mit dem nostalgischen Text „So schön, schön war die Zeit“, Freddy Quinns Schlager „Heimweh“.
Nach dem Singen erholte sich das Publikum bei wundervollen Klängen am E-Piano, meisterhaft gespielt von Timea Jazayeri. Passend zum Sommerbeginn in der fast schon tropisch anmutenden Arena ertönte „Summertime“ von George Gershwin. Mit den ebenfalls sommerlichen Stücken „Summerdays“ und „Launch in the Sun“ von Daniel Hellbach ging es leicht und romantisch weiter – und nach den drei leicht melancholischen Stücken „Hymne“, „Diary of Longing“ („Tagebuch der Sehnsucht“) und „Musik fürs Leben“ von Sven Voolstra in die Pause.
Seelisch erfüllt, wartete im Gemeindesaal eine reichliche Auswahl an köstlichen Speisen für das leibliche Wohl. Mitglieder von BarberKadabra und aus dem Förderverein der Thomaskirche hatten aus dem Gemeindehaus einen wahren Genusstempel gezaubert. Getränke, Snacks, Salate, Laugengebäck, Obst und Süßwaren standen bereit und wurden ausgiebig genossen, so dass die ursprünglich auf 20 Minuten angesetzte Pause verlängert werden musste.
Aufs beste gestärkt, startete die zweite Halbzeit mit der Lobpreisgruppe der koreanischen Chung-Ang-Gemeinde. Mit einem Sänger, zwei Sängerinnen, E-Gitarre, E-Bass, E-Piano und Schlagzeug trug die Gruppe die drei mitreißenden Lieder „Friend of God“, „Dancing Generation“ und „I am free“ vor. Im Sinne der aktuellen Jahreslosung „Prüfet alles und behaltet das Gute“ erinnerte der Leadsänger an die Liebe Gottes als das größte Gut und erklärte die Sprache der Liebe zu der Sprache, die die vielen Sprachen der Welt göttlich vereint. Das Lied „How Great Thou Art“ wurde in drei Sprachen vorgetragen: auf Englisch, Deutsch und Koreanisch.
Nach der Lobpreisgruppe mit ihren ergreifenden Liedern betrat der Nachwuchs der koreanischen Gemeinde die Bühne. Die drei jungen Akteurinnen hatten bereits vor der Pause einen Einsatz als Moderatorinnen, indem sie die Stücke von Frau Jazayeri ansagten. Nun durfte das Trio – Rina, Juah und Se-A – auch ihr Können an Violinen und Querflöte präsentieren. Begleitet am E-Piano von Eunhei Kim, berührten die Drei die Zuhörerinnen und Zuhörer mit der Instrumentalversion des Liedes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Frau Kim ist Pianistin, doziert in der Kronberger Musikwerkstatt und hat erfolgreich an mehreren Musikwettbewerben teilgenommen.
Bei der Ankündigung von BarberKadabra begab sich Andreas Hauff auf historische Spurensuche. Barbiere sind bekanntermaßen Friseure; und in den US-amerikanischen Barbershops liegen in der Tat die Wurzeln dieses Gesangsstils. Sind es heute unter anderem Zeitschriften, in denen blätternd Wartezeiten überbrückt werden, war es um 1900 herum das gemeinsame Singen, das die Zeit vertrieb. Anfangs wurde Barbershop nur von Männern gesungen, doch dann eroberten auch Frauen diesen Musikstil.
Mit dem stimmgewaltigen Frauenchor BarberKadabra wurde es voll auf der Bühne. Die Frauenpower begann mit einem englischen Lied. Danach war ein interessantes Arrangement des deutschen Klassikers „Die Gedanken sind frei“ zu hören. Das Lied „It‘s a Kind of Magic“ diente Silke Wüllner dazu, in die Besonderheiten des Barbershop einzuführen. Die Besetzung besteht aus vier Stimmlagen, die pyramidenförmig übereinander gelegt sind – von unten nach oben und von der größten bis zur kleinsten Anzahl: Bass, Bariton, Lead (= führende Stimme) und Tenor. Diese vier eigentlich für die Männerstimmen geprägten Bezeichnungen werden auch bei den Frauenchören benutzt, wobei hier in der Regel eine Quinte höher gesungen wird. Bei den Erläuterungen hielten die Sängerinnen große Schilder mit ihrer Stimmlage in die Luft.
Dass Barbershop-Chöre im Allgemeinen und BarberKadabra im Besonderen ein Ohren- und Augenschmaus zugleich sind, zeigte sich von Anfang an. Die Sängerinnen überzeugten nicht nur musikalisch, sondern auch chore0grafisch, ganz besonders beim dritten Liebeslied – nach „One Fine day“ und „I Can‘t Recall His Name“ – nämlich „Bring Me Little Water, Silvy“, als sie sich als Body Percussionistinnen hervortaten.
Nach dem Barbershop-Klassiker „Lazy Day“ präsentierte BarberKadabra den eigens für den Chor anlässlich eines Events der Deutschen Bahn („Female ICE“) arrangierten „DB-Song“, der sich der Melodie von „Like Ice in the Sunshine“ bediente, und im Anschluss das Lied „Don‘t Stop Thinking About Tomorrow“. Wettbewerbsstimmung kam auf, als Silke Wüllner berichtete, dass BarberKadabra bei den deutschen Barbershop-Meisterschaften 2026 mit einem wiederum eigens zusammengestellten Arrangement aus den Liedern „Black and White“ und „Ebony and Ivory“ auftreten werde. Zu guter Letzt erheiterte BarberKadabra das Arena-Publikum mit dem Lied „Du hast den Farbfilm vergessen“ und rundete das Programm mit einem Medley aus „I‘m Into Something Good“ und „Happy together“ ab. Diese Darbietung in der Arena der Thomaskirche war ein voller Erfolg.
Als Andreas Hauff zum Abschluss allen Akteurinnen und Akteuren dankte und sich zuversichtlich bis zur Fête de la musique im nächsten Jahr verabschiedete, sprach er den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern, einschließlich der Verfasserin dieses unbeabsichtigt lang geratenen Artikels, aus dem Herzen. Das gelungene Musikfest behält man gerne als Auftakt für viele weitere Feste zum Sommerbeginn in Erinnerung.
Den gemeinsamen Abschluss bildete Dietrich Bonhoeffers Lied „Von guten Mächten“ (in der beliebten Vertonung von Siegfried Fietz) - nach der instrumentalen Version zuvor diesmal zum mehrstimmigen Mitsingen, am E-Piano begleitet von Eunhei Kim. Ob man sich nach 3¼ Stunden gleich auf den Heimweg machte oder noch einmal kulinarische Einkehr im Gemeindehaus hielt – mit diesen Klängen im Ohr konnte man sich wunderbar geborgen fühlen.
Susanne Laurien
05.06.2025 Treff in Thomas: Von Mainz nach Stockholm und wieder zurück mit Katharina und David Prinz
Ein Foto der deutschen Kirche St. Gertrud in Stockholm zierte die Einladung zum Treff in Thomas am 5. Juni 2025. Katharina Prinz, seit dem 1.2.2025 Gemeindepfarrerin im Luther-Bezirk der evangelischen Oberstadt-Gemeinde, war zuvor Vikarin an der Deutschen Sankt Gertruds Gemeinde in der schwedischen Hauptstadt. Ihr Ehemann David, inzwischen Vikar in der Mainzer Auferstehungsgemeinde, begleitete sie mit den beiden Kindern nach Schweden. Das junge Theologen-Ehepaar berichtete in Wort und Bild von seinen Erfahrungen.
Es war ein informativer und unterhaltsamer Abend. Das lag an der Vielfalt der Aspekte, am Wechselgespräch zwischen den Ehepartnern und auch an den eingestreuten Quizfragen fürs Publikum. Die leichteste Frage stand am Anfang. „Wie heißt die schwedische Hauptstadt?“ Nun, das stand ja schon in der Einladung. Der Schwierigkeitsgrad erhöhte sich allmählich, und bei der Frage nach der Einwohnerzahl Schwedens oder nach der prozentualen Anzahl der Katholiken im Land brauchte man schon Landeskenntnisse oder ein gutes Schätzvermögen. (Die richtigen Antworten lauten10,6 Millionen und 1,6 %.) Überhaupt war eine ganze Menge überraschend für Menschen, die mit den Verhältnissen in Schweden nicht vertraut sind.
Die deutsche Kirchengemeinde St. Gertrud hat eine lange Tradition, die zurück in die Zeit der Hanse weist. Mit besonderer Erlaubnis von König Gustav I. Vasa wurde sie 1571 von deutschen Kaufleuten gegründet, die in Stockholm ihre Niederlassungen hatten. Sogar heute noch sind Teile der Stockholmer Altstadt in deutschem Besitz. Vom Kirchturm mit seinen 279 Stufen erklang im 17. Jahrhundert das Glockenspiel, wenn das Postschiff aus Lübeck eintraf. Das reich geschmückte Innere der Kirche wirkt in deutschen Augen katholisch. Das liegt daran, dass Gustav I. Vasa den lutherischen Glauben in Schweden behutsam etablierte; so kam es auch zu keinem Bildersturm wie mancherorts in der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden, wo der calvinistische Einfluss radikalisierend hinzukam. Die Kirchengemeinde gehört der schwedischen lutherischen Kirche an. Die Gottesdienste werden aber von deutschen Geistlichen auf Deutsch nach der schwedischen Gottesdienstordnung gehalten. Gesungen werden viele deutsche, aber auch einige traditionelle schwedische Lieder. Die ins Deutsche übersetzte Liturgie der schwedischen Kirche ähnelt stark der katholischen Messe, und man spricht auch eher von der „Messe“ als vom“Gottesdienst“. Abendmahl wird jeden Sonntag gefeiert. An der Spitze der Institution stehen nicht nur Bischöfe (wie in einigen deutschen Landeskirchen, z.B. Kurhessen-Waldeck), sondern darüber auch noch der Erzbischof von Uppsala (anstelle des Rates der EKD). Theologische Grundlage ist aber das Augsburger Bekenntnis der Lutheraner von 1530, das Pfarramt steht gleichberechtigt Frauen offen, und es gibt neben 12 Bischöfen auch eine Bischöfin.
Die Trennung von Kirche und Staat trat in Schweden erst am 1. Januar 2000 in Kraft; zuvor wurde jeder Schwede mit der Geburt Mitglied der Staatskirche. So schrumpfte die Mitgliederzahl von 1972 95,4 % der Bevölkerung im Jahr 1972 auf 52,1 % im Jahr 2023 – ohne dass dies für besondere Nervosität innerhalb der Kirche sorgt. Die Finanzierung erfolgt über Kirchensteuern, die St. Gertrudsgemeinde wird aber auch durch mehrere Stiftungen unterstützt. So verfügt sie über eine erstaunliche Breite von hauptamtlichen Mitarbeitern: Einen Pfarrer, einen Kantor, einen weiterer Kirchenmusiker, eine Diakonin und einen Diakon (beide mit sozialpädagogischer Ausbildung), eine Religionspädagogin, eine Kraft für Sekretariat und Öffentlichkeitsarbeit, eine Küsterin, einen Kämmerer und einen Gebäudeverwalter. Der Pfarrer wird aus Deutschland entsandt und bezahlt; die übrigen Mitarbeiter finanziert die schwedische Kirche. Das Miteinander der verschiedenen Berufsgruppen hat in Schweden Tradition, und als Vikarin hat Katharina Prinz das als große Bereicherung empfunden. Unsere Landeskirche fängt nun im Zuge des Reformprozesses “ekhn 2030“ an, Verkündigungsteams zu etablieren; man darf gespannt sein, wie diese funktionieren.
Seit letztem Jahr hat die EKHN eine Partnerschaft mit dem schwedischen Bistum Västerås. (Die Stadt Västerås, der Bischofssitz, liegt 100 km westlich von Stockholm.) David Prinz, der sich in dieser Partnerschaft engagiert, berichtete über das schwedische Konzept der Kinder-Altäre in den Kirchen. Kinder finden dort liturgische Gewänder und Gegenstände, bis zum Miniatur-Sarg, und können damit kirchliche Rituale bis hin zu Trauung und Beerdigung nachspielen. Damit wachsen sie spielerisch in den Ernst des Gottesdienstes hinein. Am Zentrum Verkündigung der EKHN denkt man gerade darüber nach, ob sich diese Idee übertragen lässt, die einem zunächst einmal fremd erscheint. (Allerdings ergibt eine Internetrecherche, dass es diese Kinderaltäre in Deutschland schon gab – und zwar bis nach dem Zweiten Weltkrieg in katholischen Kirchen in der Eifel.)
Wie man es im langen und dunklen schwedischen Winter aushält, wurde das Ehepaar Prinz gefragt. „Gut!“ war die etwas überraschende Antwort. Der Schnee reflektiert das Licht, Lichterketten erhellen die Straßen und Lichterbögen die Fenster. Und natürlich freuen sich alle auf das Lucia-Fest am 13.12., das auch in St. Gertrud feierlich begangen wird. Ansonsten gilt die Devise: „Egal, welches Wetter - raus an die frische Luft!“
Andreas Hauff
22.05.2025 Treff in Thomas: „Humor in der Bibel“ mit Pfr. Karl Endemann
Karl Endemann, Gemeindepfarrer im Thomasbezirk, war am 22.05.2025 beim im Treff in Thomas zu Gast. Die einführenden Worte übernahm Friederike Böttcher, Pfarrerin in Ruhe und stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Thomaskirche. Endemann begann mit zwei Witzen. Der erste, weltliche Witz handelte von drei Freunden, von denen einer nach Amerika ging und dort jeden Samstagabend seiner beiden Freunde bei drei Gläsern Bier (je einem Bier für seine Freunde und einem Bier für sich) gedachte – bis er eines Samstagabends nur noch zwei Gläser bestellte, da der Arzt ihm selbst den Alkohol verboten hatte. Im zweiten, nun kirchlichen Witz landet ein reicher Mann nach einem Flugzeugabsturz auf einer Insel und ist – im Gegensatz zu anderen Überlebenden – völlig unbesorgt ob seines weiteren Schicksals, da er ja regelmäßig und großzügig an die Kirche gespendet hat und sich sicher ist, dass ihn der Pfarrer, die Gelder des Spenders vermissend, bald ausfindig machen und retten werde.
Witze dieser Art sind in der Bibel nicht zu finden. Dennoch stieß Pfarrer Endemann auf viele hintersinnig - humorvolle Geschichten in der Bibel, wobei er chronologisch vorging. So kommt bereits die Berufung von Moses in Betracht, wenn Moses so keine rechte Lust hat, das jüdische Volk zu führen und Gott ihm nicht als allmächtiger Gott von oben herab begegnet, sondern verständnisvoll und geduldig seine Einwände widerlegt und ihn so schrittweise wie ein Kind zu seiner Berufung führt. Moses ist nicht der Einzige, der seiner Berufung nur unwillig folgt, und den Gott väterlich und humorvoll auf sein Amt vorbereitet. Ein anderes Beispiel hierfür ist der Prophet Jona.
Während im neuen Testament die Geschichte der Hochzeit von Kana, in der Jesus Wasser zu Wein wandelt, den meisten geläufig ist, erinnerte Karl Endemann an die wenig bekannte Erzählung in der Apostelgeschichte (Kap. 28) , wonach Paulus bei seinem Aufenthalt in Malta von einer giftigen Schlange gebissen wird, was von der dortigen Bevölkerung so gedeutet wird, dass er keinen göttlichen Beistand besitzt. Als Paulus die Schlange jedoch ins Feuer wirft und völlig unbeschadet bleibt, hält man ihn selbst für einen Gott.
In der souverän von Friederike Böttcher geleiteten Diskussion wurde der Spruch „Der Mensch denkt, Gott lenkt“ nochmals aufgegriffen. Während Pfarrer Endemann in seinem Vortrag die Variante „Der Mensch dachte, Gott lachte“, eingebracht hatte, kam aus dem zahlreich erschienenen Publikum die Version von Bertolt Brecht „Der Mensch denkt: Gott lenkt“ (mit Doppelpunkt) - womit der lenkende Gott in Frage gestellt wird. Lebhaft diskutiert wurde, dass gerade das Alte Testament viele wenig humorvolle Geschichten beinhaltet, und dass tagesaktuelle Ereignisse in Form vielen Leids Zweifel aufkommen lassen, wo Gott hier bleibt. Endemann antwortete, dass die Frage nach dem liebenden versus strafenden Gott - wobei seiner Auffassung nach der liebende Gott gewinnt, - und das Thema der Existenz Gottes angesichts des Leidens in der Welt einen eigenen Abend füllen würden. Wir dürfen somit auf weitere Treffs mit Pfarrer Karl Endemann hoffen.
Kulinarisch aufs beste abgerundet wurde auch diese Veranstaltung wieder mit Getränken, Fladenbroten, Brezeln und den leckeren Dips von Gisela Wilke. Und so machten sich die Besucher und Besucherinnen dieses kurzweiligen Abends intellektuell und physisch angeheitert (aber alkoholfrei!) auf den Heimweg.
Susanne Laurien
25.04.2025 Mathilde Rüßler – 106 Jahre alt

Frau Mathilde Rüßler, ältestes Gemeindeglied des Thomas-Bezirkes, erreichte am 25.04.2025 das stolze Alter von 106 Jahren.
Wir haben für sie mit ihrer Familie und weiteren Gästen die ihr seit langem bekannten und beliebten Choräle gesungen: „Nun danket alle Gott" und „Geh' aus mein Herz und suche Freud". Herr Pfarrer Endemann kam noch dazu und nahm sich Zeit zu einem ruhigen Gespräch mit der Jubilarin. Während wir an der Geburtstagstafel saßen, hatten wir mit den Gästen Gelegenheit, Erinnerungen über das Wirken von Frau Rüßler in unserer Gemeinde auszutauschen.
Nach einem gemütlichen Nachmittag verabschiedeten wir uns von der Jubilarin und ihrer Familie mit guten Wünschen für das neue Lebensjahr
GW
13.04.2025: Gottesdienst am Palmsonntag – mit Prof. Domrös, Kollekte für das Mädchenheim in Badulla und dem Blockflötenorchester Mainz



Jeder Gottesdienst hat eigentlich eine besondere Prägung. Am Palmsonntag, 13. April 2025, fiel das besonders auf. Wie üblich begleitete Timea Yazaeri die Gemeindelieder zuverlässig an der Orgel, doch zusätzlich bereicherte das Blockflötenorchester Mainz (BOM) die Feier. Dicht gedrängt und diszipliniert saßen vorne auf der rechten Kirchenseite 28 Personen (sehr viel mehr Frauen als Männer) mit Blockflöten verschiedenster Größe – gut sichtbar für den den musikalischen Leiter Dietrich Schnabel, der vor dem Altar stehend dirigierte. Fünf ansprechend in den gottesdienstlichen Ablauf eingepasste Stücke sorgten für Wohlklang und Konzentration. Sie trugen poetische Titel: „La Genovese“ hieß das einleitende Stück des alten italienischen Meisters Lodovico Viadana (ca. 1560 – 1627). Danach folgten zwei Sätze aus der Suite „Lambsborner Nüsse“ des Steiermärker Komponisten Viktor Fortin (Jg. 1936) und je ein Werk von britischen Komponistinnen. Die bis heute aktive Blockflötenexpertin Alyson Lewin schrieb 1984 das Stück „The Ladies of the Vale“, das sich auf den Spitznamen der Kathedrale von Lichfield in den englischen West Midlands mit ihren charakteristischen drei Türmen bezieht. Die Zugabe, „Flow“, stammte von Eileen Silcocks (1954-2017).
Den Gottesdienst leitete Prof. Dr. Manfred Domrös, der der Thomaskirche seit langem als Prädikant verbunden und vertraut ist.In Liedern, Gebeten, Lesungen und Predigt entfaltete er den besonderen Charakter des Palmsonntags. Das Johannes-Evangelium berichtet in Kap. 12, wie Jesus in Jerusalem einzieht und die Menge ihn mit Palmzweigen begrüßt und „Hosianna“ ruft. Aber fünf Tage später, am Karfreitag gedenken wir der Kreuzigung, und wieder zwei Tage später feiern wir an Ostern die Auferstehung. An Palmsonntag habe man schon beides im Blick, stellte Domrös fest. Am Predigtext aus Jesaja 50 war ihm dementsprechend besonders wichtig der Vers 7: „Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden.“ Diese Gewissheit nahm das Lied nach der Predigt (EG 351)wieder auf: „Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich“ formulierte 1653 in bedrängter Zeit der große evangelische Liederdichter Paul Gerhardt.
Die Kollekte des Gottesdienst hatte der Kirchenvorstand für die „Sri Lanka – Kinder in Not-Kampagne e.V. “ bestimmt – und hier speziell für das Mädchenheim in der Stadt Badulla, das der von Prof. Domrös gegründete Verein mit gezielten Maßnahmen unterstützt. Als Inhaber des Lehrstuhls Physische Geographie/Klimatologie und Ökologie an der Mainzer Universität von 1974 bis 2008) pflegt Domrös seit Jahrzehnten berufliche und private Kontakte nach Sri Lanka. Die Kampagne für Kinder in Sri-Lanka rief er 2005 ins Leben, ein Jahr nach dem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean Südostasien. Einen guten Eindruck von seiner letzten Gruppenreise mit Interessierten nach Sri Lanka 2024 vermittelte aktuell der „Treff in Thomas“ am 20.3., den auch einige der Gottesdienstteilnehmer besucht hatten. Dabei waren auch ausführliche Filmaufnahmen des Mädchenheims zu sehen. (Einen schriftlichen Bericht über die Reise finden Interessierte auf der Homepage der Kampagne unter „https://www.srilanka-kinder-in-not.de/bericht_vorsitzender_2024_09.html“.)
Die Kollekte erbrachte den erfreulich hohen Betrag von 110 EUR.
In einem kurzen Gespräch nach dem Gottesdienst gab Dietrich Schnabel, der 2020 die Leitung des Blockflötenorchesters Mainz von Sikle Wüllner übernommen hatte, zu Protokoll, das Orchester habe erfreulicherweise den Einbruch an Mitwirkenden durch die Corona-Pandemie inzwischen gut überwunden und sei wieder auf eine ansehnliche Größe gewachsen. Das Gemeindehaus bei der Thomaskirche wisse er als Probenort sehr zu schätzen. Die Thomaskirche sei eine schöne, heimelige Kirche mit persönlicher Atmosphäre; selten habe er sich in einem Gottesdienstraum so wohl gefühlt. Man spüre, dass dahinter eine aktive Gemeinde stehe. Als Bericherstatter möchte man nur ein Lob noch hinzufügen: Für die angenehme Akustik der Thomaskirche – weder zu dumpf noch zu hallig, und für ein so großes Ensemble angenehm transparent.
Andreas Hauff
10.04.2025 Treff-in-Thomas: Frühlingslieder

Gemeinsames Singen beim Treff in Thomas mit Carola Miether, am Akkordeon
Singen ist gesund. Es verbessert die Haltung, stärkt unsere Nerven und unsere Abwehrkräfte und bringt den Kreislauf in Schwung. Sich zum Singen bekannter Lieder zu treffen, hilft dem Gedächtnis und fördert das Gemeinschaftsgefühl.
Daher bieten wir - passend zur Jahreszeit - auch donnerstags beim Treff-in-Thomas gelegentlich einen Sing-Abend mit Carola Miether, Mitglied der Evang. Erlösergemeinde in Mainz-Kastel, an. Die Begleitung mit Akkordeon schafft dabei eine besondere Atmosphäre – im Dezember beim Advents- und Weihnachtslieder-Singen, im April mit einem Frühjahrsprogramm - und demnächst wieder am 10.Juli unter dem Motto „Sommer, Sonne, gute Laune".
Eine regelmäßige Möglichkeit zum Singen bietet sich weiter montagnachmittags beim Singkreis im Gemeindehaus an der Thomaskirche.
03.04.2025 Treff-in-Thomas: Kurt Weill (1900 – 1950) - ein deutsch-jüdisch-amerikanisches Schicksal




Porträt zum 75. Todestag des Komponisten der „Dreigroschenoper“
Ausnahmsweise war es dieses Mal Friederike Böttcher, stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Thomaskirche, die das zahlreich erschienene Publikum und den Referenten begrüßte. Andreas Hauff, Vorsitzender des Fördervereins und viele Jahre Lehrer für Musik und Geschichte, begann seinen Vortrag gleich mit dem Stück, mit dem der Komponist Kurt Weill berühmt wurde, der „Dreigroschenoper“. Sabine Herzog-Hauff assistierte am CD-Player und ließ eine Aufnahme erklingen, auf der der Texter persönlich – Bertolt Brecht – die Moritat vom Haifisch mit den Zähnen sang.
Andreas Hauff skizzierte nun Kurt Weills Leben, das in einem jüdischen Elternhaus als Sohn eines jüdischen Kantors am 02.03.1900 in Dessau seinen Anfang nahm, sich in den 1920er Jahren mit dem Leben Lotte Lenyas verband, ihn nach großen Erfolgen auf deutschem Boden (zumal mit der „Dreigroschenoper“ 1928) nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ins Exil führte und kurz nach seinem 50. Geburtstag als Folge von Herzversagen am 03.04.1950, vor exakt 75 Jahren, in den USA endete. Lotte Lenya machte die „Dreigroschenoper“ posthum in den USA bekannt, was die nächste CD-Einspielung bewies, in der Louis Armstrong die Moritat von „Mack the Knife“ interpretierte.
Auf den wiederum sehr berühmten „Alabama Song“ aus der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, in der CD-Hörprobe von Lotte Lenya gesungen, folgte das kaum bekannte Lied für Männerchor „Zu Potsdam unter den Eichen“, dessen Text ebenfalls von Brecht stammt. Darin ging es um einen antikriegerischen Demonstrationszug, der von der preußischen Polizei aufgelöst wurde – ein Beispiel für die aufgeheizte politische Stimmung in der Weimarer Republik. Im März 1933 floh Kurt Weill – als Jude, Linker und vermeintlich „entarteter“ Künstler von den Nazis nicht gelitten - nach Paris.
1935 emigrierten Kurt Weill und Lotte Lenya in die USA. Hier entstand das Musiktheaterstück „Johnny Johnson“, aus dem zwei Stücke vorgestellt wurden: In „Prayer“ singen gleichzeitig ein amerikanischer und deutscher Priester, die ihre Soldaten textgleich – in englischer und deutscher Version – mit dem christlichen Segen rüsten. Weill kritisierte damit den Wahnwitz des Ersten Weltkriegs, in dem christliche Nächstenliebe zu christlicher Kampfbereitschaft und Brüder zu Feinden mutierten. „Johnny‘s Song“ appelliert an den Glauben an das Gute, Hoffnung und Menschenliebe, auch in schwierigen Zeiten.
Kurt Weill wurde in Deutschland später zu Unrecht vorgeworfen, sich an den Broadway verkauft zu haben. Als Beispiel für ein – wenn auch wenig erfolgreiches, da zu anspruchsvolles – Broadwaystück war aus dem Musical „Love Life“ das Lied „Mr. Right“ zu hören, in dem die Sängerin sich sehr unterhaltsam ihren Traummann, den Richtigen, herbeisingt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schlug Kurt Weill auch ernstere Töne an – so zu hören in „Buddy on the Nightshift“, einem Lied, mit dem Kurt Weill die US-amerikanischen Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie motivieren wollte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hielt Kurt Weill Distanz zu Deutschland. Schon 1941 hatte er dagegen protestiert, als deutscher Komponist bezeichnet zu werden. Er unternahm eine ausgedehnte Reise nach Israel, wo inzwischen seine Eltern lebten, und durch Europa, wobei er Deutschland mied. Zurück in den USA, komponierte Kurt Weill die Musik zum Musical „Lost in the Stars“, das sich kritisch mit der Rassentrennung auseinandersetzte. Hieraus wählte der Referent die Aufnahme des Liedes „Bird of Passage“. „Lost in the Stars“ war die letzte fertiggestellte Komposition Kurt Weills, der Liedtext zu „Bird of Passage“ ist auch auf seinem Grabstein zu lesen.
Nach den äußerst kurzweiligen und vielseitigen musikalischen Hörbeispielen aus dem breiten Repertoire des früh verstorbenen Komponisten zitierte Andreas Hauff die englisch-ceylonesische Dirigentin Yshani Perinpanayagam, die Kurt Weill als politisch engagierten Zeitgenossen beschreibt, der sich mit seinen deutsch-jüdischen Wurzeln auch der amerikanischen Kultur öffnete und Zeit seines Lebens immer auf der Seite der Unterdrückten stand.
Beeindruckt von der Person und dem Werk Kurt Weills, noch mit seinen Klängen im Ohr, durften sich die Gäste mit Brezeln und Fladenbrot und den von Gisela Wilke zubereiteten Dips stärken. Getränke waren ebenfalls großzügig vorhanden, worauf hin der Vortrag in seine abschließende Runde ging. Andreas Hauff wechselte vom Rednerplatz ans Klavier und stimmte „Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ an. Das Publikum, das auch diesen Text im sorgfältig zusammengestellten und umfangreichen Skript verfolgen konnte, sang bei diesem Lied aus der „Dreigroschenoper“ gerne und amüsiert mit, gerade bei den Zeilen „Ja mach‘ nur einen Plan, [… ] und mach‘ dann noch ´nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.“ Schon die Textzeile „Der Mensch ist gar nicht gut, drum hau‘ ihn auf den Hut“ leitete nahtlos zur Diskussion über, als eine Zuhörerin anmerkte, dass in Mainz der Hut durch die Schnut ersetzt werden dürfe.
Es tauchte dann die Frage auf, warum Weill trotz seines eigenständigen und umfangreichen Schaffens heute überwiegend in Verbindung mit Bertolt Brecht genannt wird und in dessen Schatten steht. Andreas Hauff antwortete darauf, dass Brecht einfach länger lebte und wieder präsent in Deutschland war, während Weill relativ jung verstarb, und dass ein großer Teil seines Werks in den USA für den New Yorker Broadway und zu englischen Texten entstand.
Diskutiert wurde auch die Bedeutung Weills im Hier und Jetzt. So passen seine Kritik an der Geldgier oder auch sein Einsatz für die Rüstungsindustrie gut in unsere heutige Zeit. Außerdem ergab sich nach dem zeitlichen noch ein räumlicher Bezug: Lys Simonette, Assistentin von Kurt Weill von 1945 bis 1950 und Mitarbeiterin von Lotte Lenya von 1950 bis 1981, wurde 1914 als Bertlies Weinschenk in Mainz geboren.
Andreas Hauff, der während seines musikwissenschaftlichen Studiums eine Arbeit über Kurt Weill schrieb und in diesem Zusammenhang auch Lys Simonette kennenlernte, gelang es, seine Begeisterung auf das Publikum zu übertragen. Und so wird Kurt Weill auch 75 Jahre nach seinem Tod noch lange in den Köpfen und Ohren des Publikums dieses Treffs in Thomas nachhallen
Susanne Laurien
Treff-in-Thomas am 20.3.25 : Sri Lanka aus erster Hand, mit Prof. Dr. Manfred Domrös

Unser Prädikant Dr. Manfred Domrös hat sich beruflich seit den 60er Jahren mit der Insel an der Südspitze des indischen Subkontinents beschäftigt, nicht nur als langjähriger Geographieprofessor in Mainz, sondern auch nach seiner Emeritierung 2008. Als Gründer und Vorsitzender der “Sri Lanka Kinder-in-Not-Kampagne e.V.” hilft er dort seit 2004, ursprünglich mit Kleidung nach dem Tsunami 2004, inzwischen schon lange Jahre durch Unterstützung eines Waisenhauses für Mädchen in Badulla im Landesinneren.
2024 war er mit einer Reisegruppe zum 100. Mal auf der Insel, die etwa die Größe Bayerns hat. Nun war der Film dieser Reise fertig und wurde am 20.3.25 im Thomas-Treff vorgeführt, kommentiert vom Reiseleiter selbst und Mitreisenden.
Aus seinem reichen Wissensschatz erzählte Prof. Domrös fesselnd über die Geschichte, die Topographie, Natur, Politik und Kultur der Insel.
Das umfangreiche Programm der Reisegruppe umfasste nicht nur Nationalpark - mit spontanen Elefantenbegegnungen - und Strandhotel, sondern auch z.B. das Heiligtum für einen Zahn Buddhas, einen Besuch einer Teeplantage im Hochland und auch des Waisenhauses in Badulla.
So konnten die Teilnehmer des Abends selbst sehen, wie die Spenden für das Haus verwendet werden, das von der Methodistischen Kirche errichtet wurde, aber ohne die Förderung durch den Verein wohl nicht mehr existierte. Patenschaften für die derzeit 24 Mädchen, Personalkosten und Baumaßnahmen, z.B. endlich Duschen mit warmem Wasser wurden durch den Verein finanziert. Die Filmaufnahmen vom Empfang der Reisegruppe mit Vorführungen machten deutlich, wie groß die persönliche Dankbarkeit der Mädchen und Betreuerinnen gegenüber den Helfenden aus Deutschland ist.
Auch unsere Gemeinde hat das Glück , ein Hilfsprojekt zu unterstützen – u.a. mit der Kollekte am Palmsonntag , dessen Träger und Ziele wir so genau und persönlich kennen. Danke für diesen interessanten Abend!
Joachim Kneisel
13.03.2025 Treff in Thomas: Interreligiöser Dialog – Chancen und Grenzen – mit Pfr. Michael Holst




Der Pfarrer für Ökumene und Interreligiösen Dialog, Michael Holst, war im Treff in Thomas zu Gast, um sein neues Arbeitsgebiet – er war vorher Vikar in Bodenheim und Pfarrer in Langen - zu erläutern. Dabei vermittelte er den Teilnehmern als Experte grundlegendes Wissen über die Problemstellungen und möglichen Wege in der Zusammenarbeit verschiedener Religionen, die immer eine interkulturelle Zusammenarbeit ist.
Als Chance des Dialogs benannte er vor allem das bessere Zusammenleben in unserer heutigen multireligiösen Gesellschaft, den Abbau von Vorurteilen und den Aufbau von Vertrauen - auch biblisch begründet in der Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen, als Nächstenliebe und friedensstiftende Tat.
Dabei stellen sich grundsätzliche Fragen an die eigene Haltung, die die Forschung in drei Grundtypen ordnet: exklusiv, inklusiv und pluralistisch. Der religiöse Exklusivist sieht die Wahrheit nur in seiner eigenen Religion geoffenbart, ruht daher in seinem Glauben, ist allerdings im Umgang mit anderen Religionen eher wenig einladend, während der Pluralist von einer Gleichwertigkeit der verschiedenen Glaubenslehren ausgeht, sich aber der Gefahr der Beliebigkeit aussetzt. Der Inklusivist steht dazwischen, in seiner Tradition, aber tolerant aus Einsicht in die Unvollkommenheit menschlicher Erkenntnis.
Fragen, z.B. nach den verschiedenen Gottesbildern, seien Vielen unangenehm, dabei könne die Herausforderung durch die Fremdheit des anderen Glaubens bei der Vertiefung des eigenen Glaubens helfen. Man versteht selbst besser, was man erklären soll, “mit Sanftmut und Ehrfurcht” , wie es 1.Petrus 3,15-16 formuliert.
Auch auf Grenzen ging Pfr. Holst ein: Sprachbarrieren, Mangel an Bereitschaft, ungleiche Machtverhältnisse, aber auch ganz simpel mangelnde Ansprechpartner beeinträchtigen den Dialog. Gut sei es, zuerst Vertrauen in niederschwelligen Zusammenhängen aufzubauen, mit gemeinsamem Ziel, zum Beispiel einem interreligiösen Friedensgebet.
Auch wenn Pfarrer Holst seine Unterstützung bei konkreten Projekten anbot, wurde deutlich, dass interreligöser Dialog heißt, dicke Bretter zu bohren. Durch Besucher aus der ÖFO ergab sich immerhin ein Anknüpfungspunkt, der vorerst im Rahmen des Treffs in Thomas weiter verfolgt werden soll.
Joachim Kneisel
06.03.2025 Treff-in-Thomas: Von Nonnen, Pfarrfrauen, Predigerinnen und Müttern: Die Reformation und die Frauen


Bericht - Teil 1
Der Treff in Thomas am 6. März 2025 bot einen ungeheuer spannenden Abend mit einem Thema, das die Öffnung der Kirchenämter für Frauen in den reformatorischen Kirchen langsam in Gang gesetzt hat. Es begann mit der Auflösung des Eheverbotes für Priester. Martin Luther betonte 1522 in seiner Schrift „Vom ehelichen Leben“: „Mann und Weib sind Gottes Geschöpf“. – Priester brauchten ja Frauen, die ihnen den Haushalt führten und das lebensnotwendige Vieh (Hühner, Schweine, Kühe usw.) und die Gärten versorgten. (Heute gibt es die Pfarrhaushälterin als offiziellen Beruf.) Dabei wurde das Zölibat oft nicht wirklich eingehalten. Priester, Haushälterin und Kinder lebten wie eine Familie zusammen, und die Kinder halfen auf dem Pfarrgut mit. Schon ab 1521 kam es dann gelegentlich vor, dass Priester heirateten.
Dass Luther selbst 1525 die ehemalige Nonne Katharina von Bora heiratete, war ein wichtiges Signal. Auch andere Reformatoren gründeten Haushalte mit Frauen, die sie liebten und heiraten und mit denen sie natürlich auch Kinder bekamen, und der theologische Nachwuchs tat es ihnen nach. So entwickelte sich dann mit der Zeit das typisch evangelische Pfarrhaus, in dem die Mitarbeit der Pfarrfrau selbstverständlich war.
Neue Strukturen entstanden: Die Frau des Pfarrers war beteiligt am aktiven Gemeindeleben, an Krankenbesuchen, Trauerbegleitung, Kinderbetreuung und Alten-Hilfe. Heute werden diese Aufgaben oft von professionelle Hilfen erfüllt, aber lange Zeit war das erst einmal Aufgabe von Familien, Nachbarschaften, Dorf- und Wohngebietsgemeinschaften. Und wenn Nächstenliebe in einer kirchlichen Gemeinschaft gelebt werden soll, muss gerade der Pfarrer – und auch seine Frau - etwas vorleben von dem, was Aufgabe der Christen sein soll. – Ja, so ist dann das Bild der Pfarrfrau entstanden - eine neue Rolle, die in den reformatorischen Kirchen lange einen festen Platz hatte und irgendwie noch hat – auch wenn die Frau eines Pfarrers heute oft einem eigenen Beruf nachgeht.
Aber bis Frauen in den „nicht-katholischen“ Kirchen dann auch Predigerin und Pfarrerin werden durften, hat es noch Jahrhunderte gedauert. Unsere Hessen-Nassauische Landeskirche war eine der ersten. 1970 fasste die Kirchensynode den Beschluss, dass Frauen und Männer gleichberechtigt zum Pfarramt zugelassen werden können und dass sie in ihrer Amtsausübung rechtlich gleich gestellt sind.
Friederike Böttcher
Bericht Teil 2
Die Folgen der Reformation für die Frauen waren zwiespältig. Dass die Nonnenklöster sich auflösten und aufgelöst wurden, bedeutete den Verlust einer bis dahin anerkannten und sicheren Lebensform und einen Verlust an Bildungschancen für Mädchen. Nachdem die besondere Verehrung der Gottesmutter Maria und der weiblichen Heiligen unterblieben, fielen religiöse Identifikationsmöglichkeiten weg. Andererseits kam es zu einer religiösen Aufwertung von Ehe und Familie und zur Aufwertung der Laien, so dass sich Frauen im Sinne des „Priestertums aller Gläubigen“ ermutigt fühlen konnten, selbstbewusst am religiösen Leben teilzunehmen.
Inwieweit dies überhaupt den Frauen zustand, darüber wurde immer wieder gestritten. Steht nicht bei Paulus im Korinther-Brief (Kap. 14, Vs. 33 und 34) Folgendes? „Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in den Gemeindeversammlungen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt.“ Und im Ersten Timotheus-Brief ( Kap.2, Vs. 11 und 12): „Eine Frau soll in der Stille lernen, in aller Unterordnung. Ich erlaube aber einer Frau nicht, zu lehren, auch nicht, dass sie über den Mann herrscht, sondern sie soll sich still verhalten.“
Andererseits schreibt Paulus im Galater-Brief (Kap. 3, Vs. 28) :“Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Und steht nicht beim Propheten Joel (Kap. 3, Vs. 1-2) dies? „Und nach diesem wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Ältesten werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen; und auch über die Knechte und über die Mägde will ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen.“ Genau diese Stelle zitiert dann der Apostel Petrus in seiner Pfingstpredigt (Apg. Kap. 12, Vs. 17-18).
Haben sich Frauen stark an Protesten, Bilderstürmen usw. beteiligt? Die Quellen sprechen oft von „viel Volks“. Dass das nur Männer waren, mag man eigentlich nicht glauben. Mehr weiß man über Frauen in höherer gesellschaftlicher Stellung. Da war Katharina von Sachsen, die Ehefrau Herzog Heinrichs von Sachsen, die es schaffte, ihren Mann vom lutherischen Glauben zu überzeugen. Da gab es die böhmische Herzogin Ursula von Münsterberg, die aus dem Kloster floh und sich als evangelische Schriftstellerin betätigte. Die verheiratete fränkisch Adelige Angela von Grumbach las sämtliche Schriften von Luther, korrespondierte mit ihm und setzte sich in Schrift und Tat für die Reformation ein. Die Straßburger Schreinermeisterstochter Katharina Zell, die sich schon als junges Mädchen an religiösen Diskussionen beteiligte, heiratete den Straßburger Reformator Matthäus Zell. Sie brachte sich als Pfarrfrau aktiv in die diakonische Arbeit ein und publizierte trotzdem weiter reformatorische Schriften.
Diese Tradition aktiver und angesehener Frauen riss im 17. Jahrhundert völlig ab. Ein Beispiel: Anna Vetter, die 1660 in der Nürnberg Stadtkirche zu predigen begann, wurde von der Kanzel gezerrt und zeitweise in ihrem eigenen Haus angekettet. Nicht Katharina von Zell wurde zum Vorbild, sondern Katharina von Bora. (Obwohl, streng genommen, ihr Ehemann Martin Luther von Amts wegen nicht Pfarrer war, sondern Theologie-Professor.) „Es gibt keine direkte Linie vom Priestertum aller Gläubigen zur Frauenordination,“ stellte Prof. Braun abschließend fest. Manchmal muss man sich eben auch auf verschüttete Traditionen besinnen.
Andreas Hauff
21.02.2025 Kreppelkaffee in Thomas




20.02.2025 Treff-in-Thomas: ”Von wegen heile Welt!” Verrückte Märchen für verrückte Zeiten


Zum dritten Mal schon gastierte Annemarie Mauchert als Märchenerzählerin beim Treff in Thomas. Auch dieses Mal wurde sie von passenden Flötentönen begleitet, die das Flötentrio Ingelheim beisteuerte. Dass die verrückten Zeiten, die sich im Titel des Programms fanden, sich aktuell so drastisch bewahrheiten sollten – beispielsweise mit Neuwahlen in Deutschland und täglich neuen Meldungen von Donald Trump – war bei der Erstellung des Programms noch nicht absehbar.
Auf „The King of the Fairies“, ein traditionelles irisches Musikstück, folgte ein Reigen von drei frei vorgetragenen Märchen, beginnend mit der „Klugen Gretel“ der Brüder Grimm: Die Köchin Gretel kann den von ihr im Auftrag ihres Herrn für einen Gast zubereiteten knusprigen Hähnchen nicht widerstehen, und als der Gast auftaucht, vertreibt sie ihn mit der Lüge, der Gastgeber, der im Hintergrund das Messer für die vorfreudig erwarteten – allerdings von Gretel bereist verspeisten – Hähnchen wetzte, mit der Lüge, der Gastgeber wolle dem Gast die Ohren abschneiden. Dem Gastgeber tischt sie die Lüge auf, der Gast sei mit den Hähnchen im Gepäck verschwunden.
Das Märchen von der Mäusefrau von François Villon (1431 in Paris geboren und ein Schriftsteller mit turbulentem Leben), trug Annemarie Mauchert in gereimten Versen vor. Im afrikanischen Märchen „Der Mann, der sich vor Dieben fürchtete“ verschafft sich ein Dieb mit einem Stück Fleisch Zutritt in ein Haus, aus dem er dann listig zuerst Töpfe und im weiteren heiteren Verlauf die Kleidung des vermögenden Eigentümers entwendet. Darauf erklang vom Ingelheimer Flötentrio die „Bourrée“ von Christoph Graupner (1683 bis 1760).
Nach der Pause, in der das Publikum mit Gisela Wilkes Spundekäse, Brezeln und Fladenbrot verwöhnt wurde, ging es musikalisch mit der „Courante“ von Michael Praetorius (1571/72 bis 1621) und dem Märchen vom Bären und Wolf weiter. Es handelt von einem Wolf, der dem Bären von allen Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung erzählt, an deren Ende er das Alleinsein genießt. Im darauf folgenden Märchen „Die törichten Wünsche“ von Charles Perrault (1628 bis 1703) gewährt Jupiter einem Holzfäller drei Wünsche, die er fahrlässig vergeudet, indem er sich zunächst eine schöne große Bratwurst wünscht, die er im Streit mit seiner Frau dieser dann an die Nase wünscht, womit sich der letzte Wunsch, die Befreiung der Nase von der Wurst, von selbst ergibt.
Das letzte, gereimte, Märchen des Zeitgenossen Friedhelm Kändler verknüpft die Märchen „Dornröschen“ und „Der Froschkönig“. So verfangen sich die schönen Prinzen im Rosengestrüpp, das Dornröschen umgibt und schafft es nur ein Frosch, bis zu ihr vorzudringen. Da sich dieser für sie nicht als der erhoffte Prinz erweist, geht sie von da ab immer wieder an den Teich, kehrt mit Fröschen zurück, die sie jedes Mal an die Wand wirft, wovon nur lauter Flecken an der Wand bleiben. An dieses letzte Märchen schloss sich das Musikstück „All Lust und Freud“ von Hans Leo Hassler (1564 bis 1612) an.
Friederike Böttcher, Pfarrerin i. R. und stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Thomaskirche, fragte im Nachgespräch, woraus Annemarie Mauchert ihre Märchen schöpft, worauf die Gefragte mit „mehr als 100 Märchensammlungen“ antwortete. Im Nachdenken, ob Märchen eher der Vergangenheit angehören, fielen Annemarie Mauchert Oscar Wilde und Günter Grass als Beispiele für Autoren ein, die neue Märchen schrieben. Auch wurden die gehörten Märchen auf das Hier und Jetzt übertragen. Der Fleischtrick im Märchen „Der Mann, der sich vor Dieben fürchtete“ erinnert an den bekannten Enkeltrick. Und wenn Dornröschen in der Hoffnung auf den Traumprinzen einen Frosch nach dem anderen an die Wand wirft, so passt hierzu das Bonmot „Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt.“ Demgegenüber bleibt die begründete Hoffnung auf weitere schöne Abende beim Treff in Thomas.
Susanne Laurien
06.02.2025 Treff in Thomas: Kirche im Neubaugebiet. Der Kreuzpunkt im Heiligkreuzviertel stellt sich vor.


Siehe auch Leserbrief weiter unten...
Kaum 400 m vom Luther-Gemeindehaus liegt der kreuzpunkt | im Viertel, im ersten Block des wachsenden Heiligkreuzviertels, wo einmal 5000 Menschen leben sollen. Von der Stadt Mainz sind hier keine Sozialräume oder andere Begegnungsmöglichkeiten geplant. Die katholische Kirche hat daraus 2020 die Konsequenz gezogen und 10 Jahre einen 140-qm-Raum als Begegnungsraum für die Menschen angemietet - die evangelische Kirche wollte sich hier nicht beteiligen. Über dieses neuartige Kirchenangebot berichten Emma Braininger-Knodt und Judith Reinsch, die 2024 mit Maike Jakob die Arbeit der beiden Gründer Pfr. Michael Tomaszewski und Gabriel Gessner übernommen haben.
Der Kreuzpunkt ist eine kirchliche Einrichtung, sieht aber nicht danach aus. Er nennt sich „Quartierswohnzimmer“ oder „Ein Raum für Dich / Ein Team für Dich“. Man muss schon sehr genau hinschauen, um im Innenraum die Andeutung eines Kreuzes zu erkennen. Krabbel-Gottesdienste haben hier schon stattgefunden. In der Regel kommen aber 200-250 Menschen pro Woche zu Gesprächen, offenen Veranstaltungen, festen Kreisen und privaten Feiern. Wo bleiben hier „die Kirche“, der christliche Glaube, die Tradition? Das Kreuzpunkt-Konzept steht für ein Umdenken in der Seelsorge (Stichwort „Lebensraumorientierte Seelsorge“). Was sagt Jesus, bevor er bei Jericho einen Blinden heilt (Lk 18,41)? „Was willst Du, was ich Dir tue?“ Was fragt der Mainzer Bischof Kohlgraf sich und seine Kirche: „Bekommen die Menschen, was sie brauchen? Brauchen sie, was sie bekommen?“ Ein wichtiges Vorbild sind die „Fresh Expressions of Church“ („Neue Ausdrucksformen von Kirche“), die seit 2004 in England entstehen. Man versucht, das Evangelium für Menschen bedeutsam zu machen, die bisher keiner Kirche angehören oder mit traditioneller Kirche nichts mehr anzufangen wissen. Die vorläufige Bilanz im Kreuzpunkt: „Wir haben unsere Vorstellungen von Kirche losgelassen und erfahren, dass sie wachsen kann.“ - Dieser Abend in Thomas gibt viel Stoff zum Nachfragen, Nachdenken und Diskutieren!
Andreas Hauff
Leserbrief vom 04.06.2025
Lieber Herr Hauff
Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel auf S. 42 im aktuellen Gemeindebrief gelesen. Sie schreiben richtigerweise ‚Von der Stadt Mainz sind keine Sozialräume oder andere Begegnungsmöglichkeiten geplant‘.
Zu meinem Hintergrund: Ich arbeitete von 1986 bis 2019 als Stadtplaner bei der Stadt Mainz und betreute u.a. das Planverfahren „Heiligkreuz-Areal (W 104)“.
Im Vorfeld der Planung wurden sowohl die großen Kirchen als auch andere Träger der sozialen Fürsorge abgefragt, ihre Bedarfe für Räumlichkeiten im neuen Baugebiet zu nennen. Die Gespräche fanden im Baudezernat in der Zitadelle statt. Keiner der Angesprochenen fragte einen Standort oder eine Flächenvorsorge nach. In den Bürgerbeteiligungen wurden ebenfalls keine konkreten Forderungen gestellt. Insofern wurden im Planungswettbewerb und später bei der Baurechtschaffung keine Standort eingeplant. Die Stadt war damals und auch heute nicht Eigentümer des Areals – irgendwann werden die Verkehrs- und Freiflächen an die Stadt übergehen.
Das nur zur Information
Herzlichen Gruß
Günther Ingenthron
Treff-in-Thomas: Panorama Februar - Mai 2025
Vorbemerkung: Bei uns passiert mehr als in den Gemeindebrief passt. Hier finden Sie deshalb längere Berichte oder Fotos, im Gemeindebrief eine kürzere Fassung.
Zum zweiten Mal „nach Corona“ gab es am Freitag, 21.2. wieder den traditionellen Kreppelkaffee. Erneut führte Organisator Marcus Grass als Protokoller durch ein reichhaltiges Programm. Auch Pfr. Endemann hatte einen Auftritt: Als einer der Heiligen Drei Könige hatte er sich auf dem Rückweg von der Krippe leicht verirrt und war in das seltsamen Geschehen der Meenzer Fassenacht geraten. - Passend zur närrischen Jahreszeit, aber auch zu den zunehmenden Possen und Absurditäten im Weltgeschehen, hatte Annemarie Mauchert am Tag zuvor (20.2.) ihren dritten Märchenabend beim Treff in Thomas präsentiert. Unter dem Motto „Von wegen heile Welt!“ gab es „Verrückte Märchen in verrückten Zeiten“ zu hören – umrahmt vom Flötentrio Ingelheim.
Ernst wurde es am 6.3. beim Treff in Thomas mit einem „Gastspiel“ der langjährigen Vorsitzenden des Fördervereins, Prof. Dr. Bettina Braun. Unter dem Titel „Von Nonnen, Pfarrfrauen, Predigerinnen und Müttern“ berichtete die Historikerin der Uni Mainz über die Folgen der Reformation für die Frauen. Wer bislang glaubte, dieser Umbruch in Kirche und Gesellschaft sei eine reine Männer-Angelegenheit gewesen, wurde deutlich eines Besseren belehrt. - Auch am 24.4. ergab sich eine weibliche Perspektive: Brigitte Wonneberger las aus ihrem Roman „Sophie streikt“. Die pensionierte Schulleiterin, Gemeindemitglied, schildert darin einfühlsam die Entwicklung einer jungen Frau während der Oberstufe des Gymnasiums zwischen Klima–Protesten und schulischem Druck, familiären Belastungen und Beziehungsproblemen - und am Ende noch im Corona-Lockdown. Bildungssystem und Schule werden nicht ohne Ironie beschrieben. Man spürt die Sympathie der Autorin für eine junge Generation, die unter erschwerten Bedingungen erwachsen werden muss.
Theologisch wurde es im Thomas-Treff auch am 13.3. mit Pfr. Michael Holst, der über Chancen und Risiken des Interreligiösen Dialogs sprach. Dieser wichtige und inhaltsreiche Abend gab Leitlinien für künftige Veranstaltungen, die im multireligiösen Umfeld des Berliner Viertels sinnvoll sind und hoffentlich folgen werden.
Viele Menschen kennen den berühmtesten Song der Dreigroschenoper: „Und der Haifisch, der hat Zähne", seinen Komponisten Kurt Weill eher weniger. Am 75. Todestag, dem 3.4., präsentierte Andreas Hauff ein Porträt mit Hörbeispielen aus dem facettenreichen Werk des deutsch-jüdischen Künstlers, der vor den Nazis in die USA flüchten musste und sich dort mit zukunftsweisenden Musicals etablieren konnte. Am Ende gab es das „Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ zum Mitsingen, mit der berühmten Zeile: „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch `nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht.“ - Eine Woche später, am 10.4., gab es dann (ganz nach Plan) wieder einen Treff in Thomas mit Carola Miether am Akkordeon zum Mitsingen für jedermann. „Gemeinsam mit Freude den Frühling besingen“, hieß diesmal das Motto. Am 10.7. folgt in dieser Serie „Sommer , Sonne, gute Laune“. - Ein besonderes musikalisches Erlebnis bot sich am Palmsonntag, 13.4.: Mit 28 Mitwirkenden bereicherte das Blockflötenorchester Mainz unter Dietrich Schnabel den von Prädikant Prof. Manfred Domrös gehaltenen Gottesdienst in der Thomaskirche. Die Kollekte war bestimmt für die von Prof. Domrös begründete Sri Lanka – Kinder-in-Not-Kampagne e.V., mit der er seit 2004 im Land hilft, schon lange einem Waisenhaus für Mädchen in Badulla. Am 20.3. wurde im Thomas-Treff auch der Film der Sri Lanka-Reise 2024 vorgeführt und von Prof. Domrös selbst kommentiert. Die Reisegruppe besuchte auch Badulla: Im Film wurde deutlich, wie groß die persönliche Dankbarkeit der Mädchen und Betreuerinnen gegenüber den Helfenden aus Deutschland ist - ein Glück für unsere Gemeinde, ein Hilfsprojekt zu unterstützen, dessen Träger und Ziele wir so genau und persönlich kennen.
Andreas Hauff & Red.